Hauptsache, ab nach oben – FDP, Lindner und Montgolfier
Dieser Post wurde ursprünglich am 09. Dezember 2013 publiziert.
Am Wochenende konnte ich es mir nicht verkneifen, den Live-Stream des FDP-Bundesparteitags aus Berlin zu verfolgen – dabei hätte ich es doch eigentlich besser wissen müssen.
Hatte ich tatsächlich erwartet, dass es auf einem der Aussprache und Personenwahlen gewidmeten Aufmarsch des alten, mit aktuellen und ehemaligen Funktionsträgern gespickten Delegierten-Apparatschik einen Schimmer Hoffnung geben könnte? – Quatsch! Solch Traumtänzerei ist auch nicht einmal durch ideologische Naivität zu entschuldigen. Einiges hat mich aber trotzdem gefreut, vieles geärgert, aber noch viel mehr hat mich verwundert.
Aber der Reihe nach:
Das klingt jetzt alles wieder negativer als es eigentlich sollte. Beginnen wir mit dem positiven Aspekten: Christian Lindner ist der richtige Mann an der richtigen Stelle. Okay, das mag vielleicht daran liegen, dass er auf dieser Position quasi alternativlos ist, aber dennoch sehe ich gerade bei ihm die Kapazität, Abstraktion mit Realpolitik zu verbinden wie bei kaum einem anderen deutschen Politiker. Und das ist in Zeiten der Opposition, oder traurigerweise der Außerparlamentarischen Variante davon, bitter nötig. Das intellektuelle Fundament des Liberalismus – die reine Lehre sozusagen – muss präzise und mit nötiger Metaphorik auf konkrete Sachverhalte reduziert und angewandt werden. Nur das macht unseren Markenkern wieder präzise und glaubhaft und lässt uns auch wieder mit Stolz “Die Liberalen” im Logo tragen.
Diese Fähigkeit Lindners ist aus der Vergangenheit bekannt und klang auch so wieder in seiner Rede am Sonntag durch. Kritiker mögen dies als heiße Luft bezeichnen...und haben damit natürlich Recht. Denn – No Sh*t, Sherlock! – daraus besteht Politik und vor allem Opposition. Es geht aber gerade nach solch einem vernichtenden Urteil für die Partei auch wieder darum, den Menschen zu zeigen, was die Idee der Freiheit für deren tägliches Leben impliziert. Schließlich sollen sie ja wissen, was sie in Zukunft vermissen werden, denn sonst wiederholt sich solch ein Wahlergebnis nur allzu schnell. Daher ist es nur zu begrüßen, dass wir mit Lindner unseren wohl klügsten Kopf mit dieser würdevollen Aufgabe betraut haben, statt liberale Luftschlösser zu kreieren. Denn wie uns die französischen Erfinder Montgolfier zeigten, kann jede Menge heiße Luft ja auch für Auftrieb und so zum Aufstieg verhelfen. Und das haben wir bitter nötig.
Das führt dann aber auch zu den weniger erfreulichen Dingen, denn Lindners Stellung allein löst trotz seiner komplementären Leseweise von Hayek und Dahrendorf nicht den innerparteilichen Streit um die Deutungshoheit über liberale Politik. In einem älteren Blog-Post hatte ich zum offenen Kampf der unterschiedlichen Lager aufgerufen und damit eigentlich die inhaltliche Auseinandersetzung im Kopf gehabt. Noch viel greifbarer scheint jedoch für viele sich dieser Konflikt bei Personalentscheidungen zu manifestieren. So ist es wenig verwunderlich, dass die Entscheidung des Parteitags Marie-Agnes Strack-Zimmermann statt Frank Schäffler zur Partei-Vize zu wählen, beim klassisch-liberalen Flügel zu Unverständnis, Zorn und Resignation führte. Auch mir erschließt sich nicht, warum der neue Vorsitzende, der ja bereits seine Generalsekretärin auswählt, sich auch noch Vorschlagsrechte für seine Stellvertreter herausnimmt. Zumal es ja im Übrigen nicht so wäre, dass dieser Sonnenkönig-Komplex der FDP-Vorsitzenden sich bereits bei Westerwelle und seinen Zirkeln oder der Niedersachsen-Connection von Rösler in der Historie bewährt hätte.
Das miserable Ergebnis Schäfflers wird jetzt als taktischer Fehler kaschiert und zeigt dabei doch eigentlich auf, dass auch weiterhin von der Bundespartei nicht viel in Sachen Meinungspluralismus zu erwarten ist. Eine Partei, die sich dem Individuum verschreibt, zürnt der Eigenbrödlerei und Schäfflers Abweichen von der kollektiven Standard-Wahlkampagne und bleibt so auch in Zukunft eine contradictio in adiecto.
Was mich zu der bereits zuvor gestellten Frage zurückführt: Was hatte man aber auch erwartet? – Bereits die zähe, langwierige Aussprache ließ doch schon erahnen, dass alles wie immer ablaufen würde. Nach dem zweiten oder dritten Beitrag ging es nur noch darum, persönliche Wahlanalysen, Fehleranalysen, Medienschelte oder Funktionärskritik vorzubringen und so ein ums andere Mal die selben Inhalte in anderer Tonalität wiederzugeben. Wer besonders laut und hart auf die am Boden liegende Parteiseele eindrosch, war gefeiert, wer noch darauf spuckte, ein Held. Das mag vielleicht für die Basis auf Regionalkonferenzen ein sinnvolles Medium sein, nicht jedoch für einen an Lösungen orientierter Parteitag.
So war alles eigentlich wie immer und die Verlierer, in diesem Falle die Symphatisanten des Liberalen Aufbruchs, mögen sich nach diesem Wochenende erst einmal in die Schmollecke verziehen. Ob das jedoch hilft, ist mehr als fraglich, vielmehr kommt es jetzt darauf an, klassisch-liberale Inhalte in den Beschlusslagen zu verankern. Bereits Christian Lindner stellte ja auf dem Parteitag fest, dass diese Minderheit sich auf die theoretische Argumentation verstehe. Daher sollte man sich vor Debatten mit den sozialliberalen Beliebigkeitsprogrammatikern nicht fürchten. Und wenn wir ehrlich sind, dann sind wir gerade in der klaren deduktiv logischen Argumentationsweisen auf dem blühenden Feld klassisch-liberalen Gedankenguts auch wesentlich besser, als in der Auswahl und dem rhetorischen Training des uns vertretenden Personals.
Ob das die wenigen Libertären auch weiterhin in der Partei halten wird, ist fraglich. Jedoch bezweifle ich, dass diese in überhaupt einer realpolitisch engagierten Partei glücklich werden können. Utopia wäre schön, doch bereits der verwendete Konjunktiv kommt sehr irdisch daher und so bleibe ich bei einem bescheidenen “besser” statt einem idealistischen “perfekt.”
Ich hatte bereits oben von Verwunderung über so manche Geschehnisse des Wochenendes gesprochen, daher noch ein Schmankerl zum Schluss:
Der eher als enfant terrible bekannte Kandidat für den Bundesvorsitz, Jörg Behlen, entdeckte auf dem Parteitag wohl das wohlig warme Gefühl, respektiertes Mitglied einer Gemeinschaft zu sein, für sich. Anders ist kaum zu erklären, dass er seit dem Beginn seiner Kandidatur seinen Habitus des Freiheits-Terriers mit zugespitzten Thesen zum Bettvorlegers mit versöhnlichem Genscher-Duktus umänderte. Schäffler hat sich dieser Versuchung dank einer wohl klareren Feindverortung nicht hingegeben.
Das ehrt ihn.