Zu den Schwertern!

Dieser Post wurde ursprünglich am 02. Oktober 2013 publiziert.

Das politische Deutschland nach dem 22. September 2013 – die FDP am Abgrund, die parlamentarische Apokalypse des Liberalismus, die Selbstreinigung einer Partei.

HD wallpaper: man holding swords in front of knights painting, picture, Rome So dunkel diese Zeit für einen freiheitsliebenden Menschen auch sein mag, sie wirkt auch als Magnet für Besserwisser, zu denen ich mich mit einigem Stolz selbst zähle, Opportunisten und natürlich für nun zurückkehrende ursprünglich vergraulte Anhänger. Aus dieser bunten Mischung ergibt sich dann vor allem das, was wir aktuell betrachten können: Flügelkämpfe um die Deutungshoheit über die Ausrichtung einer, nein, DER liberalen Partei: nämlich der einzigen liberalen Partei, die jemals in der Bundesrepublik bundesweite Bedeutung erlangt hat – und somit über den wahren Begriff des Liberalismus. Diese reinigende Entwicklung ist dabei nur zu begrüßen, da sich die FDP in den letzten Jahrzehnten nicht nur thematisch stark verengte und ihrem eigenen Programm aus übergroßer Machtgier und lupenreiner Prinzipienlosigkeit heraus den Rücken kehrte, sondern sich durch das Abhalten störfreier Jubel-Parteitage jeglicher programmatischen Dynamik entledigte.

Das wird sich nun endlich wieder ändern. Der durch den verpassten Einzug in den Bundestag ausgelöste Zusammenbruch eines großen Teils der in der Partei etablierten Klüngel- und Postenstrukturen, welche ein authentisches Eintreten für Freiheit hemmten, und der damit hergestellte parteiinterne Naturzustand bergen dabei bereits Hobbes‘sche Züge im Sinne des “bellum omnium contra omnes.” Und das muss auch sein! Gerade wir Liberale sollten nun endlich wieder den Kampf der Flügel als Wettbewerb der Konzepte und Markt der Ideen begreifen und fördern.

Zu einem parteiinternen Ausrichtungswettbewerb gehört neben einem fairen Umgang miteinander aber auch eine Vergleichbarkeit der Sprachrohre. Aktuell nehmen Christian Lindner und Holger Zastrow, in gewisser – gleichwohl bisweilen unterrepräsentierten – Weise aber auch Frank Schäffler diese Sprachrohr-Rolle ein. Hatte ich zumindest gedacht ... Gestern kursierte jedoch eher überraschend ein Artikel aus Die ZEIT des ehemaligen Lindner Zuarbeiters Christopher Grohl mit dem Titel „Warum ein Veggie Day liberal ist“. Kurz danach gab der berühmt berüchtigte “Strategieberater“ Christoph Giesa in seiner Kolumne auf „The European“ seinen Wiedereintritt in die FDP bekannt.

Das wäre jetzt nichts, worüber man nicht nonchalant hinweg gehen könnte, wenn sich nicht bei genauerer Betrachtung beider Beiträge schnell feststellen ließe, dass diese für einen klaren, neuen Entwurf der Freien Demokratischen Partei stehen, welche sicherlich nicht in unserem Sinne sein kann: So fordert Grohl in seinem Artikel die Besinnung auf qualitative Freiheit, die dem ein oder anderen schon von der Grundsatzprogramm-Debatte bekannt sein dürfte. Darunter versteht er “Je besser die Freiheit, desto mehr davon” und unterscheidet sie somit von einer quantitativen Ansatz im Sinne von “je mehr Freiheit, desto besser.” Dies mag vielleicht das Klientel der ZEIT-Leser, dem ein aufrechter Liberaler mittlerweile nicht mehr guten Gewissens angehören kann, in Jubelstürme ausbrechen lassen, genauso zeigt es aber auch auf, dass sich klassisch-liberale Mitglieder der FDP vehement gegen diese Denkweise richten müssen – und vor allem der klassisch-liberale und der libertäre Flügel sich endlich lauter zu artikulieren haben, als dies bisher der Fall war.

Für unser Beispiel übernehmen wir das gerne gleich hier: Durch die Verpackung dieser ach so revolutionären Idee, welche im Übrigen außerhalb der Tübinger Universitätsmauern keinerlei akademisches Standing besitzt, in klare Worte, statt einem weniger gehaltvollen, pseudo-intellektuellen Geschwurbel, wird dabei klar, dass die Heuristik einer qualitativen Freiheit keinerlei Kongruenz zu einem liberalen Weltbild aufbauen kann … zumindest, wenn man nicht jenem Opportunismus huldigen will, den der Loriotsche FDPler Claus-Hinrich Wöllner mehrfach perfekt vorführt: “Im liberalen Sinne heißt liberal nicht nur liberal.” Stimmt’s, Herr Grohl?

Aber nun einmal abseits aller Polemik: Ausgehend von einer Betrachtung des Individiuums und dem dadurch bedingten Präferenzpluralismus ist eine wertende, normative Komponente nicht möglich. So lässt sich keine Aussage treffen, welche Freiheit qualitativ über der anderen anzusiedeln ist, da zwar quantitativ eine Messung von Freiheit möglich ist, jedoch qualitativ eine Messbarkeit außerhalb der Subjektivität fehlt. Dies erinnert dabei schwer an Amatary Sens Versuch der Definition von Capabilities, welche trotz der unbestritten interessanten Denkanstöße eine eher willkürliche Aneinanderreihung ohne ausreichende normative Begründung darstellt.

Einer anderweitigen Abhandlung über das Konzept der Freiheit wäre sicherlich nun spannend, würde jedoch keinerlei Mehrwert erbringen, da zig kluge Denker, allen voran Isaiah Berlin, bereits viele richtige Dinge zu dieser Thematik gesagt haben. Hier geht es vielmehr um einen Aufruf an diejenigen, deren Freiheitsbegriff sich einer qualitativen Betrachtung entzieht. Deren Beiträge vermissen wir nämlich. Sicherlich werden sie bei der ZEIT oder The European keine Plattform finden – vielleicht auch zum Glück. Aber deren Stimme benötigen wir weiterhin und nun noch stärker innerhalb der Strukturen der FDP. Dabei müssen wir uns von Kampfbegriffen wie „Sozialist“ oder „Staatzi“ lösen und stattdessen deutlich machen, warum Freiheit in einem liberalen Weltbild reiner und radikaler ist, als sie es in sonst einer Weltanschauung je sein könnte und warum wir nicht nur an Smith, Hayek oder Mises kleben, wie die andere Seite an Dahrendorf oder Flach.

Diese Stimme ist essentiell, gerade jetzt: in Zeiten bedrohter Freiheit. Es geht endlich um die Verankerung einer radikalen Freiheitsbewegung in unserer Gesellschaft. Es geht nicht nur um die Freiheitsbegriffe der Libertären, sondern um die Freiheit aller. Zu oft hat uns die Geschichte gelehrt, dass der Kollektivismus die Freiheitsgöttin Libertas zu leicht stranguliert, wenn sich zu wenige ihm entgegenstellen. Es braucht den Einsatz eines jeden von uns, egal, ob Anarchokapitalist, Libertärer, oder Klassisch-Liberaler.

Die FDP wird nur überleben, wenn sie die echte, die authentische Partei der Freiheit wird. Kuschelliberalismus und linksliberale Staatsgläubigkeit schwimmen momentan im Strom des auch durch den medialen Mainstream getragenen Zeitgeistes. Zugegeben: Wir tun das nicht. Uns weht der Wind direkt entgegen. Wir werden uns jedes Gehörtwerden erkämpfen müssen. Aber jetzt einmal ehrlich: Wann hatten es die Verfechter des Individuums gegen das Staatskollektiv, der Individualität gegen die Gleichheit, des Liberalismus’ gegen den Sozialismus und seine Lakaien je leicht? Genau: Nie.

Und aus diesem Grund und aus dem Grund, dass es darum geht ein freies Leben des Einzelnen zu ermöglichen, darum braucht es die Stimme der Freien. Jetzt. Hier. In der Freien Demokratischen Partei. Es wird ein erbitterter Kampf um die besten Lösungen, die anschaulichste Vision und, ja, auch das schönste Traumschloss. Deshalb: da es der Manchesterliberale eh nicht so mit den Pflugscharen hält, zu den Schwertern...